Foto mit Kennzeichen: Muss der Fotograf verpixeln – oder nicht?

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Unfall auf der Autobahn. Sie stehen unter Schock, die Polizei ist noch nicht einmal vor Ort, aber ein Pressefotograf schon. Er macht Bilder, dokumentiert die Lage. Keine zehn Minuten später erscheint eines dieser Fotos auf mehreren Nachrichtenseiten. Darauf: Ihr Auto. Ihr Kennzeichen. Gut lesbar.

Ihre Familie sieht es. Ihre Freunde. Noch bevor Sie selbst jemanden informieren können, wissen es alle. Ein extremer Fall, der auch heutzutage ab und an noch vorkommt. Und damit stellt sich die Frage: Muss ein Fotograf das Kennzeichen verpixeln?

Fotograf muss Nummernschild vom Auto nicht verpixeln

Die Antwort mag überraschen: Nein, muss er nicht. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az. 1 BvR 1716/17) liegt die rechtliche Verantwortung nicht beim Fotografen, sondern bei der Redaktion, die das Bild veröffentlicht. Sie muss prüfen, ob Persönlichkeitsrechte verletzt werden und das Kennzeichen unkenntlich machen.

Normale Privatfahrzeuge
In der Regel sind Kennzeichen personenbezogene Daten. Ist das Fahrzeug nur beiläufig auf einem Stadtbild zu sehen, ist das meist unproblematisch. Kritisch wird es jedoch bei Unfällen, Einsätzen oder brisanten Situationen. Wer hier nicht verpixelt, riskiert Persönlichkeitsrechte zu verletzen.

Entscheidend ist auch der Zusammenhang, in dem es gezeigt wird. Wird zum Beispiel ein polnisches Nummernschild gut erkennbar abgebildet und darüber die Schlagzeile gesetzt: „Polen parken am häufigsten falsch“, ist das nicht nur fragwürdig – es ist unzulässig. Denn auch wenn die Person nicht namentlich genannt ist, wird durch das Kennzeichen eine ganz konkrete Person öffentlich an den Pranger gestellt.

Manchmal reicht es übrigens auch nicht aus das Kennzeichen zu verpixeln. So wurde eine Autofahrerin nach einem Unfall allein aufgrund ihres exotischen Wagens ausgemacht. Es reichte, dass es nur diesen einen Ferrari Spider in der Region gab.

Polizei- und Feuerwehrfahrzeuge im Einsatz
Solche Fahrzeuge sind öffentlich zuzuordnen, ihre Kennzeichen unterliegen in der Regel keiner besonderen Geheimhaltung. Eine Verpixelung ist meist nicht notwendig, solange es sich um Einsatzbilder handelt.

Private Fahrzeuge von Einsatzkräften
Ganz anders sieht es aus, wenn private Pkw von Polizisten, Feuerwehrleuten oder Sanitätern gezeigt werden. Hier können Rückschlüsse auf Wohnort oder Familie gezogen werden. Eine Verpixelung ist dringend geboten – auch aus Sicherheitsgründen.

Zivilpolizei und Spezialeinheiten (SEK)
Hier endet jede Diskussion: Kennzeichen von zivilen oder getarnten Einsatzfahrzeugen dürfen keinesfalls sichtbar bleiben. Eine Veröffentlichung kann Leben gefährden. In solchen Fällen sollte der Fotograf selbstständig verpixeln, auch wenn die Redaktion letztlich verantwortlich ist.

Auch wenn Fotografen theoretisch rechtlich nicht verpflichtet sind, Kennzeichen unkenntlich zu machen – journalistische Verantwortung beginnt nicht erst in der Redaktion, sondern schon mit dem Auslöser. Wer beim Fotografieren mitdenkt, schützt nicht nur Persönlichkeitsrechte, sondern auch die Würde der Abgebildeten. Und genau darum geht es im seriösen Journalismus.

Selbst wenn in der Hektik vor Ort keine Zeit bleibt, um Verpixelungen vorzunehmen, kann der Fotograf der Redaktion einen klaren Hinweis geben. In vielen Redaktionen übernehmen mittlerweile automatische Systeme mit KI die Unkenntlichmachung.